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50jähriges Jubiläum der Tagesklinik für Erwachsenenpsychiatrie

Die Rodewischer Psychiatrie-Revolution

50 Jahre Tagesklinik für Psychiatrie in Rodewisch – das ist gestern im Sächsischen Krankenhaus gefeiert worden. Rückblick zu einem progressivem Anfang.

Es begann 1963. Im Mai damals trafen sich über 120 Ärzte und Wissenschaftler aus neun Ländern, darunter BRD, Frankreich, Kanada, zu einem internationalen Symposium in Rodwisch. Thema: die Rehabilitation psychisch akut und chronisch Kranker. Ergebnis: die Rodewischer Thesen. Sie waren der Ausgangspunkt dafür, dass drei Jahre später in Rodewisch eine der ersten psychiatrischen Tageskliniken in Ostdeutschland eröffnet wurde. „Was heute ein gängiges Konzept ist, galt damals als äußerst progressiv“, sagte der Chefarzt des Sächsischen Krankenhauses in Rodewisch, Niels Bergemann, gestern anlässlich der 50-Jahr-Feier für die Tagesklinik. Alf-Rüdiger König, Vertreter des Sächsischen Sozialministeriums, sprach in seinem Grußwort von einer „Psychiatrie-Revolution“.

Geschlossene Großkrankenhäuser mit Massenschlafsälen und Gittern vor den Fenstern: Das war der Zustand der Psychiatrie im Nachkriegsdeutschland – in Ost und West. Hinzu kam, dass in den Köpfen der Menschen die NS-Zeit nachwirkte. Und dann kam Rodewisch im Jahr 1963, als – Gesamtdeutschland betrachtet – erstmals die Ziele einer Psychiatrie-Reform formuliert wurden. Zum Vergleich: Das westdeutsche Pendant – die Psychiatrie-Enquete – wurde erst 1975 verfasst.

Die Rodewischer Thesen forderten die Abschaffung der Verwahr-psychiatrie und den Aufbau ambulanter und teilstationärer Dienste. „Es ging um die Integration psychisch Kranker in die Gesellschaft“, so Chefarzt Niels Bergemann.

Die Anfänge der Tagesbehandlung psychisch Kranker finden sich 1932 in der Sowjetunion, dort mangels Bettenkapazität. Mit Blick auf einen neuen Behandlungsansatz entstanden die ersten Tageskliniken 1944/45 in Kanada und Großbritannien. In der DDR begann die Betreuung von Tagespatienten 1963 an der Uniklinik Leipzig. 1964 folgte eine Einrichtung in Dresden, 1966 eine in Halle und im November vor 50 Jahren jene in Rodewisch. Joachim Buschbeck, ehemaliger Chefarzt in Rodewisch: „20 Plätze zählte die Einrichtung anfangs. Es wurden primär Schizophrenien behandelt.“

Heute bietet die Einrichtung für Erwachsene 25 Plätze. Einschränkungen bei den Krankheitsbildern gibt es keine mehr. Niels Bergemann: „Die Therapiemethoden sind differenzierter geworden, der Ansatz aber ist der gleiche geblieben.“ Die Tagesklinik ist das Bindeglied zwischen ambulanter und stationärer Behandlung, um dem Patienten unter soziopsychologischen Aspekten den Kontakt zum Umfeld zu ermöglichen.

Freilich kommt in Zeiten des Kostendrucks auch die finanzielle Komponente hinzu. Oberärztin Angelika Kurzweg: „Die Ersparnis gegenüber einer stationären Behandlung beträgt 21 bis 37 Prozent“.

Und die Zukunft? Demnächst steht eine 2,1 Millionen Euro schwere Investition an. Die Tagesklinik, seit 50 Jahren in ein- und demselben Gebäude untergebracht, benötigt eine Komplettsanierung.

Susanne Kiwitter
Freie Presse, 22.10.2016

07.11.2016

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