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Crystal verführt zu immer früherem Drogenkonsum
Die Modedroge stellt nicht nur die Polizei, sondern auch Therapeuten vor neue Probleme. Durch den niedrigen Preis ist Crystal leicht zu haben. Der erste Griff zu illegalen Drogen findet in immer jüngerem Alter statt. Darüber waren sich gestern die meisten von über 300 Experten einig, die im psychiatrischen Klinikum Rodewisch zu einer Fachkonferenz zum Thema Crystal Meth zusammenkamen.
Das Methamphetamin habe gewissermaßen das Heroin ersetzt, urteilte Ulrich Zimmermann, Vizechef einer psychiatrischen Klinik in Dresden. Bei vergleichbar schnell wirkendem Suchtpotenzial sei es zu einem viel geringeren Preis als Heroin erhältlich, der es allgemein verfügbar mache. "Das kann man sich sogar von Hartz IV erlauben", sagt Zimmermann.
Durch diese Verfügbarkeit erklärten sich auch die schnelleren Drogenkarrieren, urteilt Uwe Wicha, der im Erzgebirge eine Rehabilitationseinrichtung leitet. Nach wie vor seien die ersten genossenen Suchtmittel meist Tabak und Alkohol. "Aber wenn jemand heute mit zwölf oder 13 Jahren raucht oder trinkt, vollzieht sich bei manchen der Weg zur Endstation Crystal jetzt schneller, als das früher bis zum Heroin der Fall war", sagt Wicha. Zudem"docke" Crystal Meth an die aktuelle Jugendkultur an. Die vorübergehend leistungssteigernde Wirkung lasse es zu, "die Party über Tage nicht enden" zu lassen.
Im Gesundheitsamt des Vogtlandkreises verzeichnet man trotz seit 2008 steigender Drogenmissbrauchszahlen einen Rückgang bei Heroin, Kokain und Cannabis. Die meist über die tschechische Grenze gebrachte synthetische Droge Crystal mache inzwischen drei Viertel der Fallzahlen aus. Laut Polizei findet in Sachsen mit 44 Prozent, Bayern mit 37 Prozent und Thüringen mit elf Prozent das Gros der Crystal-Sicherstellungen bundesweit statt. Allerdings seien in der Region bislang kaum größer organisierte Händlerstrukturen erkennbar." Meist fahren die Konsumenten selbst nach Tschechien und bringen ein bis zwei Gramm mit, in welchen Körperöffnungen auch immer", berichtete der Beamte Leif Woidtke von der Polizeidirektion Zwickau.
Widerspruch erntete zur Fachkonferenz ein Vertreter der Sächsischen Bildungsagentur. Der hatte betont, nach Rücksprache mit Schulleitern, Lehrern und Schülervertretungen sei Crystal-Missbrauch an Schulen kein Thema. Allein in Zwickau habe es an vier Schulen Probleme gegeben, hielt ein Berater dem entgegen. Ein betroffener Schulleiter habe das Problem indes nicht wahrhaben wollen. In einem Fall sei sogar auf dem Schulgelände Handel getrieben worden.
Crystal Meth
Crystal, auch Hard Pep, Ice oder Crystal Speed: konzentrierte Version von Speed (die sonst um 20 % liegende Wirkstoffkonzentration liegt bei Crystal bei über 80 %). Der chemische Name lautet N-Methylamphetamin oder kurz Methamphetamin. Die Herstellung erfolgt durch die chemische Reduktion des in Grippemitteln enthaltenen Wirkstoffs Ephedrin. Crystal vermittelt Hochgefühl, verdrängt Müdigkeit, wirkt leistungssteigernd, verursacht aber auch Herzrasen oder -rhythmusstörungen, Angstzustände, Paranoia, Psychosen.
Jens Eumann, Freie Presse 14.2.2014
14.02.2014