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Rundgang räumt Vorurteile aus
Mit einem Tag der offenen Tür hat die Rodewischer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie das 60- jährige Bestehen gefeiert.
Vorurteile geistern noch immer in den Köpfen nicht weniger Menschen herum, wenn das Wort Psychiatrie fällt. Diese Tatsache wird Romy Stockburger bei Führungen an ihren Arbeitsplatz bewusst. Ein Zimmer nach dem anderen zeigt die Krankenschwester zum Tag der offenen Tür in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Sächsischen Krankenhaus Rodewisch. Gleichzeitig wird Bereitschaft signalisiert, Wissenslücken zu schließen: "Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen", erzählt sie. "Die Leute interessieren sich für die Therapien und sind erstaunt, dass die Räume hier so hell und freundlich gestaltet sind - ohne Gitter an den Fenstern."
Vorurteile abzubauen ist ein Ziel des mit Fortbildungen, Gesprächsrunden und Besichtigungen gefüllten Tages. In erster Linie hat man Grund zum Feiern: Vor 60 Jahren wurde die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Rodewisch eingerichtet, seit zehn Jahren hat sie ihren Sitz wieder in der alten Heimat. Von 1966 bis zur Fertigstellung des Neubaus 2004 war die Abteilung in Bad Reiboldsgrün untergebracht. Mit der Rückkehr sei auf die "Zeichen der Zeit" reagiert worden, sagt Klinik-Chefarzt Helmut Niederhofer. "Unser früheres Klientel mit geistiger Behinderung ist weniger geworden. Deshalb wurde eine kleinere Klinik gebraucht." Der Rückgang liegt Niederhofer zufolge in Fortschritten der Medizin begründet. Viele geistige Behinderungen würden durch Stoffwechselstörungen ausgelöst. Heutige Routine- Tests bei Babys und eine entsprechende Behandlung können dem entgegenwirken.
Eine Zunahme verzeichnen dagegen Suchterkrankungen, allen voran die Abhängigkeit von Computer und Mobiltelefon. Beides ist auf den Stationen tabu. An deren Stelle rücken Gruppenerlebnisse wie Wanderungen oder Ausflüge, um verloren gegangene soziale Fähigkeiten wieder zu lernen. Häufig werden Kinder und Jugendliche auch aufgrund von Essstörungen, komplexen Aufmerksamkeitsstörungen oder Schulverweigerung aufgenommen. Viele Klinik-Patienten zeigen Defizite im Verhalten. "Oft als Reaktion auf das familiäre Umfeld", erklärt Helmut Niederhofer.
Sylvia Dienel, Freie Presse, 22.09.2014
29.09.2014