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Schwarze Schafe im Maßregelvollzug

Tiere als Therapeuten - die Idee hat sich bewährt. Für die Patienten in der Forensischen Klinik Rodewisch ist sie indes neu.

Frieda, Paul und Paula knabberten gestern genüsslich am Gras auf der Wiese vor der Forensischen Klinik in Rodewisch. Dass sie vor den Toren des gesicherten Gebäudes standen, lag am offiziellen Start der tiergestützten Therapie im Maßregelvollzug. Sonst haben die drei Schafe mit den schwarzen Köpfen - ein dreijähriges Muttertier und ihre im August 2012 geborenen Nachkommen - an anderer Stelle ein Domizil mit großer Weide. Das Areal ist der ehemalige Anstaltsfriedhof. Die dortigen Gräber sind davon nicht berührt. Die ehemalige Kapelle wurde indes samt Anbau zu Heulager und Stall umfunktioniert.

Schon seit September hat Tiertherapeut Stefan Barth gemeinsam mit den fünf Patienten aus dem Maßregelvollzug, die für diese Form der Therapie ausgewählt wurden, die Weide und das Gebäude hergerichtet. Unter anderem war ein 60 Meter langer Graben für die Stromversorgung auszuschachten. "Den Winter über waren die Schafe bei mir zu Hause untergebracht, um sie auf mich zu fixieren", sagt der 39- Jährige. Seit Montag sind sie in Rodewisch.

Bei ersten Kontakten zwischen Tieren und Patienten hat der Therapeut festgestellt: "Leute, die sich sonst sehr steif verhalten, werden weicher, zugänglicher." Auf diese Weise Brücken zum Patienten zu bauen, sei ein Anliegen der Therapie. Es gehe aber auch darum, dass die Patienten sieben Tage in der Woche Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen. Die Schafe müssen gefüttert, der Stall muss ausgemistet werden.

Im Moment ist es so, dass nur die fünf Patienten mit den Tieren umgehen dürfen, die eine entsprechende Lockerungsstufe haben. Später sollen die Schafe auch mal hinter die Mauer, also direkt auf das Gelände der Klinik, gehen. Für die Patienten, die den Maßregelvollzug nicht verlassen dürfen, sollen zudem Kleintiere wie Kaninchen und Meerschweinchen eingesetzt werden.

"Wir hatten schon seit Jahren den Gedanken, die Tiertherapie einzuführen, es gab aber immer wieder Bedenken, weil bei einigen Patienten Tierquälerei in der Krankengeschichte eine Rolle spielt", erklärte Sylvia Beyerlein, Chefärztin der Forensischen Klinik. Die Empfehlungen externer Gutachter und das Engagement von Stefan Barth, der sich zum Tiertherapeuten ausbilden ließ, trugen dazu bei, dass man sich nun doch dafür entschied.

"Die Patienten werden nie ohne Betreuer zu den Tieren gelassen", versichert Barth. In ein, zwei Wochen übrigens müssen Frieda, Paul und Paula zur Schur bei einem Schäfer. Die Wolle wird dann in der Ergotherapie der Forensischen Klinik aufgearbeitet.

An den fünf Landeskrankenhäusern in Sachsen gibt es jeweils eine forensische Klinik. Außer in Rodewisch wird die tiergestützte Therapie noch in Arnsdorf durchgeführt, dort gibt es einen Tierpark. In Justizvollzugsanstalten des Landes Sachsen gibt es diese Therapieform ebenfalls, so in Chemnitz und Torgau.

Heike Mann
Freie Presse, 30.05.2013

30.05.2013

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