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Spezialstation für affektive Erkrankungen eröffnet
In Deutschland setzen rund 10.000 Menschen pro Jahr ihrem Leben selbst ein Ende. Zu Beginn der 90er-Jahre seien es doppelt so viele gewesen, sagt der Chefarzt des Sächsischen Krankenhauses in Rodewisch, Niels Bergemann. Noch weiter zurückgegriffen, geht Bergemann davon aus, dass die Suizidrate kurz nach dem 2. Weltkrieg dreimal so hoch war, wie heutzutage.
"Dieser Rückgang ist erfreulich, aber dennoch sind 10.000 pro Jahr noch immer viel", fährt der Fachmann fort. Und: Bei über 60 Prozent der Fälle sei der Suizid auf eine Depression zurückzuführen. "Das ist eine schwere Erkrankung und eine Volkskrankheit noch dazu", so Bergemanns Fazit.
Um den Betroffenen noch besser helfen zu können, haben Bergemann und Oberarzt Michael Müller eine Schwerpunktstation für affektive Erkrankungen, unter denen Depressionen und Manien zusammengefasst werden, etabliert. Seit 1. März läuft der Betrieb.
"Wir haben diese Erkrankungen schon immer behandelt", erklärt Bergemann. Mit der Schwerpunktstation soll das Angebot aber optimiert werden. Konkret heißt das, dass im Haus B7, in dem sich die Station befindet, bisher auf drei Stationen Patienten mit den unterschiedlichsten psychischen Erkrankungen gemischt untergebracht waren. Nun konzentriert sich die Behandlung der an Depressionen oder Manien leidenden Patienten ausschließlich auf die Station im Erdgeschoss. "Wir haben 21 Betten, plus vier weitere für Notfälle", so Oberarzt Michael Müller. Neben ihm umfasse das Personal zwei weitere Ärzte, ein Psychologin sowie Sozialarbeiter, Therapeuten, Pflegekräfte. Ein Aufenthalt auf seiner Station umfasse mindestens vier bis sechs, manchmal acht Wochen.
Die Behandlung von affektiven Erkrankungen habe sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt, gibt Niels Bergemann als Grund für die Etablierung der offen geführten Schwerpunktstation an. Bergemann spricht von einem "multimodalem Therapiekonzept" und meint damit, dass neben der klassischen medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung gruppentherapeutische und sozialtherapeutische Angebote sowie biologische Verfahren zum Einsatz kommen. Zu Letzterem zähle beispielsweise die Licht- und Bewegungstherapie. So beginnt auf der neuen Schwerpunktstation für die Patienten jeder Tag mit einer Liegeeinheit in einem mit künstlichem Licht geflutetem Raum. Ebenso regelmäßig geht es mit Nordic-Walking-Stöcken raus an die frische Luft. Von der "Stärkung der der gesunden Anteile und Ressourcen" ist dabei die Rede. Außerdem soll der Patient laut Bergemann "zum Experten seiner Erkrankung werden und ihren Verlauf sowie die Behandlungsmöglichkeiten einschätzen lernen."
Susanne Kiwitter
Freie Presse, 24.04.2017
08.05.2017