Vom 1. bis zum 2. Weltkrieg
Vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
Im 1. Weltkrieg, Ende 1917, mussten alle Kranken der Anstalt Untergöltzsch auf die übrigen Einrichtungen Sachsens verteilt werden, weil die Militärverwaltung das Haus als Reservelazarett beanspruchte.
Ab 1920 wurde die Anstalt wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt. Es galt vorrangig, die Kriegsschäden zu beseitigen. Die anhaltende ärztliche Unterbesetzung war eine Teilursache dafür, dass Ende der 20er und zu Beginn der 30er Jahre das Verwahrprinzip wieder Oberhand zu bekommen drohte.
Mit der Errichtung der faschistischen Diktatur 1933 brach in Deutschland auch für die Psychiatrie das düsterste Kapitel der Geschichte an.
In den Landesanstalten kam es zu Einschränkungen der offenen und freizügigen Behandlung der Geisteskrankheiten. Höhepunkt der Gewalt gegen psychisch Kranke und Behinderte waren die Massenvernichtungsmaßnahmen. Auch in der Landesanstalt Untergöltzsch wurden Patienten aufgrund des Sterilisationsgesetzes von 1933 zwangssterilisiert.
Im Zuge der T4-Aktion wurden Patienten meist nach Zschadraß oder Großschweidnitz, die als Zwischenanstalten fungierten, transportiert und von dort nach Pirna-Sonnenstein zur Vergasung weitergeschickt. Das wahre Ausmaß der Vernichtung wurde erst 2002 hier im Hause bekannt nachdem die externe Ärztin Dr. Christine Wagner über diesen Zeitraum in unserem Hause promovierte und dafür sämtliche Patientenakten der Zeit auswertete. In ihrer Doktorarbeit schrieb sie konkret: "Im Zuge der T4-Aktion wurden vom Juli 1940 bis August 1941 aus der Landesanstalt Untergöltzsch 484 Patienten (sowohl langjährige Stammpatienten als auch aus anderen Landesanstalten zuverlegte) in die Zwischenanstalt Zschdraß gebracht. Die meisten von ihnen wurden kurze Zeit später vergast oder starben unter den unsäglichen Bedingungen nach wenigen Wochen noch in Zschadraß. Ein Transport mit 11 Untergöltzscher Stammpatienten ging am 30.1.1941 direkt und ohne Umweg über eine Zwischenanstalt zur Vergasung nach dem Sonnenstein. [...] Von 1942 bis 1944 wurden 584 Kranke in acht Transporten aus Untergöltzsch nach der Landesanstalt Großschweidnitz verlegt. [...] Am 21.1.1944 wurden 25 Untergöltzscher Patienten in die Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde verlegt. Am 7.6.1944 wurden 19 Kranke aus Untergöltzsch in die wegen ihrer hohen Sterblichkeit berüchtigte Anstalt Waldheim gebracht." 2007 wurde an unserer ehemaligen Krankenhauskirche eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Opfer der Euthanasie enthüllt.
Während des 2. Weltkrieges verschlechterten sich die Behandlungs- und Unterbringungsbedingungen für die Kranken kontinuierlich. Gegen Ende des 2. Weltkrieges trug die Anstalt Untergöltzsch wieder den Charakter einer Verwahreinrichtung.
Nach Beendigung des 2. Weltkrieges wurde auch in der Landes-Heil-und Pflegeanstalt Untergöltzsch mit dem Neuaufbau begonnen. Die Beschäftigten waren bemüht, den guten Ruf der Anstalt rasch wieder herzustellen. Kriegsschäden an den Gebäuden wurden beseitigt und die Versorgung mit Heizstoffen, Lebensmitteln und Medikamenten abgesichert. So konnten bald schon wieder 450 Patienten betreut werden.
Von 1947 bis 1956 führte die Einrichtung die Bezeichnung "Krankenanstalten Rodewisch". Trotz Mangel an Ärzten und Pflegepersonal stieg die Zahl der Patienten kontinuierlich an; 1949 waren es 780, 1955 bereits 1507 bei ursprünglich geplanten 600 Betten.